23.07.2022
Fünftklässler erfahren in Projektwoche Praktisches für ihr Leben
Was nützt es, wenn man schwierigste mathematische Gleichungen lösen kann, das Spiegelei oder die Spaghetti aber unlösbare Probleme darstellen? Noch vor wenigen Jahren ging es manchen Studienanfängern so, die frisch vom Gymnasium kamen. Erste eigene Wohnung und keine Ahnung von Haushaltsführung oder Kochen. Gut, dass das Fastfood-Restaurant um die Ecke bis fünf Uhr morgens offen hat. Der Vorwurf, Gymnasiasten wüssten nichts vom echten Leben, ist aber so schon lange nicht mehr haltbar. Am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium wird seit einigen Jahren intensiv darauf geachtet, die Schüler:innen für das Leben nach der Schule vorzubereiten. Themen wie Gesunde Lebensführung, Kochen, Nachhaltigkeit und umweltbewusstes Verhalten stehen an der Schule ganz weit oben auf der Agenda. Erst kürzlich wurde die schuleigene Küche komplett saniert und steht jetzt mit modernster Ausstattung den Schüler:innen zur Verfügung. Seit dem Schuljahr 2021/2022 fordert nun auch das Kultusministerium von den Schulen, sich vermehrt mit der Thematik zu beschäftigen. Basierend auf dem Konzept „Alltagskompetenzen – Schule fürs Leben" werden an den allgemeinbildenden Schulen Projektwochen durchgeführt, die für die staatlichen und kommunalen Schulen verbindlich sind. Die Schulen sollen sich vermehrt mit den Themen Gesundheit, Ernährung, Haushaltsführung und selbstbestimmtes Verbraucherverhalten beschäftigen. Das Fraunhofer-Gymnasium hat mit einer Schulentwicklungsgruppe dieses Konzept aufgenommen und für den eigenen Bedarf angepasst. Herausgekommen sind nun mehrere Module, die im Rahmen zusammenhängender Projekttage heuer erstmals in den 5. Klassen durchgeführt wurden.
Los ging es für die Fünftklässler bei ihrem Aufenthalt im Schullandheim. Dort wurden die Alltagskompetenzen gleich einmal in der Praxis abgefragt. Betten beziehen, Zimmer sauberhalten, Tisch decken u.v.m. standen auf dem Programm. Zwei weitere Einheiten wurden in den pädagogischen Tagen im Schullandheim zusätzlich erarbeitet. Zusammen mit Kinder- und Jugendcoach Stephan Magerl stand Waldpädagogik auf dem Programm und die Schüler:innen erfuhren so einiges über Flora und Fauna des heimischen Waldes.
In einer weiteren Einheit ging es um die Thematik Nachhaltigkeit. Die Schüler:innen beschäftigten sich mit der Herstellung von Kleidungsstücken. Sie lernten den Produktionsprozess genauer kennen und mussten dabei feststellen, dass Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitskräften in anderen Ländern immer noch auf der Tagesordnung stehen. In einem praktischen Teil ging es dann ums „Upcyceln“ von Kleidungsstücken. Die Schüler:innen lernten das Batiken kennen und machten aus alten gebrauchten Kleidungsstücken coole Klamotten, die sie dann auch in der Schule zu den verschiedensten Angelegenheiten immer anzogen.
Am nächsten Projekttag ging es dann zum Boierhof nach Cham, einem
seit Jahrhunderten bewirtschafteten Bauernhof in Willmering, der seit
1997 auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt und Mitglied des
Naturlandverbandes ist.
Unter der Führung von Regina Hausladen und Hannah Deittrick lernten die Schüler:innen die Abläufe am Hof kennen, erfuhren einiges über die Bio-Schweine- und Rinderhaltung, Gemüse-, Obst- und Getreideanbau, Photovoltaik und Windkraft. Außerdem durften sie die Tiere am Hof hautnah erleben und wurden von den Hofhunden Wastl und Wally begleitet.
Ein weiterer Projekttag führte die Schüler:innen dann in die Landwirtschaftsschule, wo sie sich genauer mit gesunder und ausgewogener Ernährung beschäftigten. Lebensmittel wurden besprochen, verarbeitet und schließlich natürlich auch gegessen. Sogar ein eigenes Kochbuch mit leckeren Rezepten durften die Kinder nach Hause mitnehmen.
Der letzte Projekttag stand ganz im Zeichen von Müll. Die Fünften lernten, wie man Müll entsorgt, richtig trennt oder besser erst gar nicht entstehen lässt. Auch dies sind Alltagskompetenzen, die früher das Elternhaus vermittelte und jetzt von der Schule übernommen werden.
Der Projekttag begann mit zwei Vorträgen. Herwig Pohl, den manche noch aus der Grundschule kannten, wo er das naturwissenschaftliche Projekt „Die kleinen Entdecker“ durchführt, referierte über Elektroschrott und führte so manchem vor Augen, dass da viel mehr als Kabel, ausrangierte Computer oder Handys dazugehören, denn wer hätte schon gleich an sprechende Puppen, blinkende Schuhe oder andere elektronische Spielzeuge gedacht. Damit die Wertstoffe aus den Geräten herausgenommen werden können, ist es nötig, dass die 200 Millionen Tonnen Elektroschrott, die in den Haushalten lagern, sachgerecht entsorgt werden. Pohl verwies auf die Wertstoffhöfe im Landkreis sowie die Pflicht der Läden, neuerdings auch der Discounter, defekte Geräte zurückzunehmen. Er stellte auch eine weitere sinnvolle Maßnahme vor, wie man kaputten Geräten eventuell zu einem neuen bzw. verlängerten Leben verhelfen kann. Der Bürger in Cham hat die Möglichkeit, sie ins Repair-Cafe zu bringen, das regelmäßig in der Berufsschule stattfindet. Hier helfen viele Ehrenamtliche, defekte Geräte, die man eigentlich wegwerfen würde, zu reparieren. Sie stellen ihr Know-How zur Verfügung und der Kunde darf selbst mithelfen beim Richten oder auch nur ratschend zur Seite stehen. Deswegen heißt das Repair-Cafe in Cham auch G‘radscht und G’richt.
Frau Dr. Stefanie Dragon, Chemie- und Biologielehrerin an unserer Schule, stellte im Anschluss den Unverpacktladen „Rogelfrei“ vor, den vier junge Leute im Örtchen Wald betreiben. Eindrucksvoll und anschaulich bebildert schilderte Dragon ihren eigenen Einkauf, der vollkommen auf Verpackungsabfall verzichtet. Dazu zeigte sie den Schüler:innen einen Korb mit vielen Utensilien, die sie in den Laden mitbringt, zum Beispiel leere Gläser, ausgespülte Plastikflaschen oder eben Papier- oder Baumwolltaschen, die sogenannten Rogel. Das Entnehmen der Ware aus großen Spendern, die dann in Gläser abgefüllt und abgewogen wird, konnte man anhand einer Powerpräsentation Schritt für Schritt mitverfolgen. Den Aufruf, Läden und Märkte bewusst anzusteuern, die Ware nicht in Plastikverpackungen anbieten, sondern lose verkaufen, aber auch Behälter in die Schule mitzubringen, in die man sein Essen abfüllt, sollten die Fünftklässler in ihren Familien weitergeben und selbst beherzigen. So kann jeder einen Beitrag leisten, den täglich anfallenden Verpackungsmüll ein wenig einzudämmen.
Es folgte ein praktischer Teil, bei dem alle fünften Klassen unterschiedliche Touren durch Cham unternahmen und ausgerüstet mit Mülltüten, Handschuhen und Müllgreifern die Gegend von Müll befreiten. Diese Rama-Dama-Aktion zeigte, wie viel Unrat die Menschen auch in unserer Heimatstadt leider achtlos in die Natur werfen. Neben ganz vielen Zigarettenkippen waren da Plastik, Aluminium, Papier, aber auch Eisenschrott und kuriose Funde, wie ein kleiner Einkaufswagen, dabei. Wieder zurück an der Schule erwartete die Schüler:innen ein letzter Referent, Markus Pollack von den Kreiswerken, der den mitgebrachten Müll auswertete und in aufgestellte Schachteln richtig einsortieren ließ. Damit zeigte er eindringlich, wie auch im Wertstoffhof bzw. im Landkreis Cham mit Müll umgegangen werden soll. Sein Vortrag, was in welche Tonne gehört und was nicht, war zwar erfreulicherweise für viele Schüler nicht komplett neu, aber ganz sicher lehrreich. Da gerade im Biomüll oft häufig falsche Tüten zum Einsatz kommen, schenkte er allen Schüler großzügig geeignete Papiertüten, die sie mit nach Hause nehmen durften. Man staunte, welch reißenden Absatz diese binnen weniger Minuten fanden.
Ein abschließendes Gespräch im Klassenverband über die Projekttage zeigte, dass alle etwas an diesen Tagen gelernt haben und das Bewusstsein für Umwelt, Nachhaltigkeit, gesunde Ernährung und Abfallvermeidung geschärft worden ist. Ganz nebenbei hatten die Schüler:innen auch jede Menge Spaß und Abwechslung. Eine Firma war so begeistert von der Sache, dass der Müll vor ihrer Haustür gesammelt wurde, dass sie die Schüler:innen spontan zu einer Brotzeit einlud. Na, wenn sich das nicht gelohnt hat!
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