24.07.2023
Hans Schuierer, Wolfgang Novak und die WAA
Hans Schuierer und Wolfgang Novak berichten der Q11 von ihren Erlebnissen im Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf.
In der aktuellen Zeit wird die Demokratie immer wieder in Frage gestellt und genau deshalb ist es gerade jetzt essenziell, dieses politische System zu verteidigen. Dieser Aufgabe fühlten sich die beiden Referenten verantwortlich, als in Wackersdorf in der Nähe von Schwandorf während der 1980er Jahre eine Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll (WAA) beschlossen und gebaut werden sollte.
Zu Beginn des Vortrags wurde ein kurzer Dokumentarfilm des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 2018 gezeigt, damit die Schüler die nötigen Hintergrundinformationen erhalten.
Anfang der 1980er Jahre wurden erste Pläne der WAA geschmiedet und dem damaligen Schwandorfer Landrat Hans Schuierer vorgelegt. Um ihn davon zu überzeugen, wurden ihm für den von starker Arbeitslosigkeit betroffene Landkreis 3.600 neue Arbeitsplätze und die völlige Sicherheit der neuen Anlage versprochen. Obwohl Herr Schuierer zuerst Befürworter der WAA war, begann er einige Monate später erste Zweifel zu hegen, als ihm der Bauplan vorgelegt wurde: es sollte ein 200 Meter hoher Kamin gebaut werden, um anfallende radioaktive Substanzen in der Region möglichst weit zu verbreiten. Er ging ein großes Risiko ein, sich gegen die WAA auszusprechen, was er nicht nur in seinen Kollegenkreis unter bayerischen Landräten spürte, sondern es wurde auch ein Disziplinarverfahren gegen ihn geführt. Trotz Angst vor einer Amtsenthebung protestierte er weiter gegen die für ihn undemokratische Politik der damaligen Staatsregierung.
Wolfgang Nowak hatte, anders als sein Referentenkollege, keine vorherige Erfahrung in der Politik. Erst bei einem kleinen Treffen der WAA-Gegner, war er überzeugt von ihren Zielen und engagierte sich als Kassier und Kassenprüfer. Mit der Zeit erlernte er wichtige Fähigkeiten wie Ausdauer, Mut und Aufgeschlossenheit im demokratischen und friedlichen Widerstand, der seine Unterstützer auch in der katholischen Kirche hatte. Er blieb seiner Überzeugung treu, obwohl er kaum Unterstützung in seiner eher konservativen Arbeitsumgebung bekam. Heute, nach dem Ende der Atomenergie in Deutschland, setzt er sich für alternative Energiequellen ein.
Der Konflikt um die Wiederaufbereitungsanlage entwickelte sich schnell von einem politischen zu einem sozialen Problem. Die Gesellschaft war gespalten, in WAA-Befürworter und Gegner. Selbst in Familien führte dies zu Diskussionen und Streitereien. Der friedliche Widerstand gegen die WAA war allerdings nicht nur in der Oberpfalz verwurzelt, friedliche Demonstranten kamen auch aus anderen Teilen Deutschlands und aus Österreich. Es dauerte nicht lange, bis die Medien den Widerstand gegen die WAA verfolgten. Wer eine Zeitung aufschlug, um etwas über die Proteste zu erfahren, las Worte wie „Steinewerfer“, „blanker Hass“ und „Gewalt“. Jedoch war dies nicht der Normalzustand. Die Widerstandsbewegung war im Kern friedlich und religiös geprägt. Die Verantwortlichen wollten jegliche Einsätze von Gewalt vermeiden, aber es kam trotz aller Mühen zu Eskalationen. So machte am 10. Oktober 1987 der Einsatz einer Polizeisondereinheit aus Berlin Schlagzeilen: zahlreiche friedliche Protestanten wurden teils schwer verletzt, als sie sich der Baustelle näherten. Letztlich hatten die WAA-Gegner Erfolg und die Bauarbeiten wurden eingestellt. Mehrere einschneidende Ereignisse führten, laut der Referenten, zu diesem Ausgang. Aufgrund der beiden Atomkatastrophen Tschernobyl und Fukushima wurde die Frage der Sicherheit der Atomenergie kritisch diskutiert. Auch mit dem Tod des WAA-Verfechters und Ministerpräsidenten Franz Joseph Strauß (CSU) wurden die Pläne nach und nach fallengelassen.
Die offene Fragerunde am Ende des Vortrages konzentrierte sich im Kern auf den Appell an die Jugend, die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen. Zur Zeit der Proteste gegen die WAA war die Jugend stark vertreten. Der Wille des Volkes soll mehr in die Politik integriert werden, denn wenn die Thematik einen selbst betrifft, sollte man seine Meinung äußern. Jedoch befanden Schuierer und Novak beide die Proteste der letzten Generation für keine sinnvolle Aktion, da sie Unbeteiligte behindern und eine offene Diskussion um die Klimakrise so nicht erreichen. Protest sollte in der Regel immer gewaltfrei sein, obwohl sie sich bewusst sind, dass es meist nur die Extreme in die Nachrichten schaffen und dass Aufmerksamkeit eine essenzielle Komponente erfolgreichen Widerstandes darstellt.
Abschließend wurde noch ein Bogen zwischen damals und heute gespannt, denn sich mit der Vergangenheit und ihren Lehren zu beschäftigen, sei der erste Schritt in Richtung demokratischen Fortschritts.
Text: Lena Köstner, Q11
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