03.12.2019
Dr. Eva Umlauf zu Gast am Fraunhofer-Gymnasium
Am Dienstag den 27. November 2019 kam die Holocaust-Überlebende Dr. Eva Umlauf auf Einladung des Rotary-Clubs und
der Katholischen Erwachsenenbildung ans Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium, um über ihr Leben zu sprechen und aus ihrem Buch Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen vorzulesen. Der Vortrag fand in der Pausenhalle für alle Zehntklässler und interessierten Neuntklässler statt.
Frau Umlauf, die in einem Arbeitslager in der Slowakei geboren wurde und später mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Ausschwitz überlebte, schilderte ihre Lebensgeschichte anschaulich und las immer wieder Ausschnitte aus ihrem Buch vor. Obwohl sich Frau Umlauf nicht aktiv an die Zeit in Ausschwitz erinnert, prägten sie die Jahre im Konzentrationslager und auch die Erfahrungen, die ihre Familie dort machte. Zum Abschluss des Vortrags durften die Schülerinnen und Schüler Fragen stellen, die Frau Umlauf bereitwillig und sehr ausführlich beantwortete. Selbst auf die Frage, ob die Zehntklässler die Nummer auf ihrem Arm sehen dürften, die ihr in Ausschwitz tätowierte wurde, reagierte sie gelassen. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sehr beeindruckt von den Berichten der Zeitzeugin und nahmen die Warnung vor einem erneuten Anstieg des Antisemitismus in Deutschland wahr.
Am
Dienstagnachmittag besuchte Dr. Eva Umlauf im Rahmen einer Gesprächsrunde
dann das Wissenschaftliche Seminar „Literatur der Shoah“ unter Leitung von OStR Eva-Maria Schwarzfischer, bevor sie dann am Abend im Rahmen der Klostergespräche aus ihrem Leben erzählte.
Pater Peter Renju begrüßte als Hausherr die zahlreich erschienenen
Gäste im Geistlichen Zentrum der Redemptoristen in Cham und übergab
das Wort an Michael Neuberger von der Katholischen
Erwachsenenbildung, der eine kurze Einführung zur Referentin gab.
Bei den Klostergesprächen las sie aus ihrem Buch vor und schilderte eindrücklich verschiedene Stationen ihres Lebens, von der „braunen“ Diktatur der NS-Zeit über die „rote“ Diktatur, den Prager Frühling bis hin in die heutige Zeit. Mit ihrer feinen Sprache gelang es der Zeitenzeugin, wie sich Umlauf selbst nennt, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen und dramatische Bilder ins Gedächtnis zurückzurufen. Denn gemäß der Aussage des KZ-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel wird jeder, der heute einem Zeugen zuhört, selbst zum Zeugen werden.
Und so schilderte Eva Umlauf einige Erlebnisse, die den Zuhörern sehr nahe gingen.
Sie berichtete von ihrer Mutter, die als Schneiderin für weiße Wäsche im Lager Nováky arbeitete und unter widrigsten Umständen im Dezember 1942 ihre Tochter Eva gebar. Sie erzählte von der späteren Deportation nach Ausschwitz, wo die Eltern getrennt wurden, von den menschenverachtenden Untersuchungen und dem Tätowieren ihres Unterarms. Zu diesem Zeitpunkt war Eva Umlauf noch nicht einmal zwei Jahre alt und ihre Mutter erwartete die zweite Tochter Nora, die kurz nach der Befreiung in Ausschwitz zur Welt kam. Während der Vater mit nur 33 Jahren in einem Außenlager von Mauthausen ermordet wurde, hatte die Mutter mit ihrer Tochter mehr Glück. Sie befanden sich auf dem „glücklichen Transport“, dem ersten Transport nach Ausschwitz, der nicht mehr sofort ins Gas ging. Nur wenige Tage zuvor waren noch 2000 Menschen aus Theresienstadt sofort bei ihrer Ankunft ermordet worden. An die Zeit im Konzentrationslager Ausschwitz kann sich Eva Umlauf nicht mehr aktiv erinnern, sie war schlichtweg noch zu klein. Bei der Aufarbeitung ihrer Lebensgeschichte fand sie aber unter anderem auch Krankenakten von sich selbst und so grenzt es heute an ein Wunder, dass sie die Zeit in Ausschwitz trotz Tuberkulose, Keuchhusten und Hungerödemen überlebte.
Eva Umlauf berichtete aber auch von den schönen Erlebnissen ihrer persönlichen Geschichte, vom engen Familienzusammenhalt, von der Liebe, die sie nach Deutschland führte, von der Unterstützung ihrer Berufskollegen und ihrer Vorgesetzten, die ihr den Start als Ausländerin an einer deutschen Klinik enorm erleichterten und sie unterstützten.
In diesem Zusammenhang brachte sie auch den Begriff der Resilienz ins Spiel, der psychischen Widerstandskraft, die bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Während die eine Person an einem Trauma zerbreche, gehe die andere gestärkt daraus hervor, gemäß dem Motto von Viktor E. Frankl, „...trotzdem Ja zum Leben sagen“. Eva Umlauf geht davon aus, dass ihre Mutter, die in späteren Jahren an schweren Depressionen litt, 1995 an den Spätfolgen der NS-Zeit starb. Sie sieht darin auch die Mahnung, Geschehenes nicht zu Verdrängen, sondern bewusst aufzuarbeiten. Den Weg, den Eva Umlauf als Zeitenzeugin am 27. Januar 2011 begann, als sie bei der Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung im KZ Auschwitz eine Rede gehalten hatte, wird sie weitergehen. Ihr Wunsch, mit dem ihre Rede damals endete, ist aber noch lange nicht erfüllt und gilt auch und vor allem heute noch:
„Ich wünsche mir, dass das Geschehene aus den unterschiedlichen Perspektiven verstanden und verarbeitet wird […]. Mir selber ist es dabei sehr wichtig, in der Folge der NS-Zeit herauszuarbeiten, dass die, die hinter dem Elektrozaun gewalt- und todesbedroht wurden, bittere Gefühle und Gewalterfahrung mit sich tragen, aber auch die, die vor dem Elektrozaun scheinbar unbehelligt lebten, am emotionalen Erbe aus der Last der Taten schwer tragen… Beide Seiten, sowohl Täter als auch Opfer, geben dieses Erbe an ihre jeweiligen Nachkommen weiter, so lange, bis diese mutig und bewusst bearbeitet werden.“
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