29.07.2019
Resilienztag mit hochkarätigen Referenten am Fraunhofer-Gymnasium
Am vergangenen Montag fand unter Leitung von Dr. Matthias Dobmeier, Psychiater in Regensburg und Cham, ein Resilienztag am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium statt. Auslöser für diese Veranstaltung war, dass die Zahl der Jugendlichen, die mit ihrer Lebenssituation nicht zurechtkommen und schon von kurzfristigen Krisen aus der Bahn geworfen werden, immer mehr zunimmt und von ihm behandelt werden müssen. Das, was diesen Jugendlichen fehlt, ist die sogenannte Resilienz. Man versteht darunter eine psychische Widerstandsfähigkeit, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Um diese Krisenbewältigungsstrategien ging es dann am Vormittag bei einer Veranstaltung für die Schüler der Oberstufe und auch am Abend, beim öffentlichen Vortrag.
Dr. Dobmeier hatte zu beiden Veranstaltungen, die vom Rotary
Club Cham, vom Chamer Bündnis gegen Depression und von den
Behindertenwerkstätten Oberpfalz unterstützt wurden, hochkarätige Referenten
eingeladen, die die Zuhörer nachhaltig beeindruckten.
Am Vormittag erzählte zunächst Michael Schrattenthaler aus
seinem Leben. Der in Tirol geborene Künstler verbrachte eine behütete Kindheit,
bevor er nach Innsbruck an die Fachschule für Holz- und Steinbildhauerei ging.
Nach der Meisterschule wurde er an die Akademie der Bildenden Künste in München
aufgenommen und erlebte dort eine zwar künstlerisch intensive Zeit, aber
zugleich auch eine Zeit voller Selbstzweifel. Aus heutiger Sicht dienten diese
jedoch dazu, erst einmal wirklich richtig über den eigenen Werdegang
nachzudenken und den eigenen zukünftigen Weg, das eigene Ich zu finden. Bis
heute ist dieses Suchen der Motor seines Arbeitens. Mit großer Zufriedenheit
lebt er nun seit einigen Jahren mit seiner Familie im Landkreis Cham und setzt
von hier aus Projekte in der ganzen Welt um.
Die zweite Referentin des Vormittags war Dr. Christina
Berndt, Wissenschaftsredakteurin bei der „Süddeutschen Zeitung“ und
Bestseller-Autorin. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Thematik
und hat das Buch „Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft“
geschrieben. In ihrem Vortrag berichtete sie von den Anforderungen unserer
Zeit, die manche Menschen krank werden lassen und verriet Tipps, wie man eine
gesunde Einstellung zum Leben behält und festigt. Während manche Menschen an
einer Niederlage zerbrechen, nutzen andere diese Niederlage als Chance für
Veränderung und Neuanfang. Diese Kraft, Widerstand zu leisten gegen die
Zumutungen der Umwelt und gestärkt aus Krisen herauszugehen, kann mit den
richtigen Strategien gefördert werden. Sie zeigte anhand zahlreicher Beispiele
diese Strategien auf und gab praktischen Rat, wie man das „Immunsystem der
Seele“ stärken kann. Zu den einfachen Strategien zählt beispielsweise mit Humor
und positiven Gefühlen durchs Leben zu gehen. Häufig sei der
Perspektivenwechsel, der Blick auf das Positive, der Schlüssel zum
erfolgreichen Überstehen einer Krise.
Die Abendveranstaltung mit Prof. Dr. Dieter F. Braus, Direktor der Klinik für Psychiatrie in Wiesbaden, beschäftigte sich mit dem Thema, wie Jugendliche fit gemacht werden können für das spätere Leben. In seinem äußerst unterhaltsamen Vortrag erklärte er in der bis auf den letzten Platz gefüllten Pausenhalle des Fraunhofer-Gymnasiums leichtverständlich schwierigste wissenschaftliche Studien zum Thema. Die heutige Gesellschaft befindet sich in einem großen Umbruch, meinte Braus. Diesen Veränderungen müsse man eher mit Mut statt mit Angst begegnen, so wie es aktuell die junge Greta Thunberg zeigt, die mit ihren Fridays for future plötzlich die gesamte politische Welt aufmischt. Daran werde deutlich, welch große Kraft von der Zeit der Pubertät ausgehe.
Prof. Braus erläuterte zunächst die Ausgangslage der menschlichen
Entwicklung und erklärte, welche Grundbedürfnisse der Mensch hat und aus
welcher Motivation heraus er Entscheidungen trifft. Anschließend schilderte er
mit farbigen Beispielen die Entwicklung vom Kind über die Pubertät zum
Erwachsenen. „Die Phase der Pubertät dauert etwa vom 10. bis zum 26. Lebensjahr
und beginnt dann, wenn die Kinder ihre Eltern peinlich finden und plötzlich bis
12 Uhr mittags schlafen“, meinte Prof. Braus lächelnd. Er erläuterte den
grundsätzlichen Aufbau des menschlichen Gehirns in der Zeit der Pubertät mit
den Hauptakteuren Nucleus accumbens, Amygdala und Hypothalamus. Der Verstand
hingegen (Cortex) spiele eine untergeordnete Rolle. Unter dem Einfluss von
Hormonen verliere der Nucleus accumbens (Spaßgenerator) etwa ab dem 10. Lebensjahr
seine Sensibilität und entkoppele sich vom Zusammenspiel mit der Amygdala
(Angst, Impulsivität usw.). Dies sei auch wichtig, denn schließlich solle der
Jugendliche neue Erfahrungen lernen können. Plötzlich würden andere Dinge für
die Jugendlichen interessant. Sie streiten („Zickenkrieg“) und fühlen sich
ungerecht behandelt, sie gehen höhere Risiken (v.a. im Freundeskreis) ein, sind
aber zeitgleich enorm sensibel und stressanfällig. Die eigene Unsicherheit wird
überspielt mit auffälligem Make-up, bestimmtem Kleidungsstil oder auch völligem
Rückzug.
Für Braus sind dies alles positive Dinge, die beweisen, dass der Jugendliche gerade eine vollkommen normale und spannende Entwicklung durchläuft. Schließlich handelt es sich hier um den größten Umbauprozess des Gehirns im gesamten Leben, weil erst jetzt der Cortex entwickelt wird und sich der Gefühlsapparat daran koppeln kann. Gegen Ende der Pubertät mit über 20 Jahren verfüge der Jugendliche dann über eine bessere Selbstkontrolle und fände langsam seinen eigenen Weg. Bei 75% aller Jugendlichen würde diese Entwicklung absolut unauffällig verlaufen.
Abschließend erläuterte Braus, was dem Gehirn in dieser Zeit hilft und was ihm schadet.
Für die positive Entwicklung der Jugendlichen hin zu mehr
Resilienz sei es wichtig, Kindern und Jugendlichen Kernkompetenzen wie
Selbstkontrolle, positive Emotionalität oder soziales Einbringen und Werte für
ihr späteres Leben zu lernen. Man solle Jugendliche unterstützen und Toleranz
üben und bei Streit erst einmal eine Nacht darüber schlafen. Eltern und
Erzieher sollten aber auch Grenzen aufzeigen und Regeln vereinbaren
(Handynutzung, Ordnung im Kinderzimmer usw.), die auch einzuhalten sind.
Außerdem sei es enorm wichtig, im Einklang mit dem eigenen Lebensraum zu leben.
Dazu gehörten Naturerfahrungen, die Prof. Braus als enorm wichtig einstuft. Je
öfter sich Kinder und Jugendliche draußen in der Natur, in Wald und Wiese
aufhalten, desto stressresistenter würden sie. Außerdem betonte er, wie wichtig
das Musikmachen, das Lesen und Schreiben und regelmäßiger Sport für die
Entwicklung des Gehirns seien. Auch Kleinigkeiten, wie die gemeinsame Mahlzeit
mit der Familie (ohne Handy), gesunde Lebensmittel (kein Junkfood), Spaß und
Freude, ausreichend Schlaf oder die soziale Einbindung in einem Verein könnten
Jugendliche resilienter machen. Letztlich sei das Leben aber kein Wunschkonzert
und deshalb dürfe man Jugendliche durchaus auch fordern und müsse sie nicht
gleich wegen Schnupfen zwei Wochen krankschreiben.
Im Gegensatz dazu gab er auch Beispiele für Dinge, die die Entwicklung des Jugendlichen negativ beeinträchtigen können. Grundsätzlich warnte er vor allen legalen und illegalen Drogen und verwies auf die Spätfolgen. Bereits einmaliger Konsum von Cannabis während der Pubertät führe zu Veränderungen im Gehirn und Alkohol und Nikotin seien vergleichbar mit Psychopharmaka, die in Deutschland heutzutage niemals eine Zulassung bekommen würden.
Er warnte außerdem vor der übermäßigen Nutzung von digitalen Medien wie Tablets und Smartphones und sprach sich für eine zeitliche Begrenzung aus. Die Kompetenz, Medien sinnvoll zu nutzen, sei Kindern erst ab dem 12. Lebensjahr möglich. Zuvor sei die unkontrollierte Nutzung von Smartphones schädlich. Leider gebe es einen kontinuierlichen Anstieg der Smartphonesucht und Facebook, WhatsApp und Co. würden Studien zufolge nicht glücklicher machen. Auch die Gefahr, die von Cybermobbing ausgehe, dürfe man gerade in der Zeit der mittleren Pubertät nicht unterschätzen. Vor allem der Medienkonsum abends im Bett sei besonders schädlich, weil die Emission von blauem Licht den Schlaf negativ beeinflusst.
Kritisch sieht er auch sogenannte Helikoptereltern, die ihre
Kinder überbehüten und alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen oder noch
schlimmer die „Drohneneltern“, die ihre Kinder per Handy-App überwachen. Kinder
bräuchten schließlich Freiräume und auch Geheimnisse, die sie nur mit den
besten Freundinnen und Freunden teilen.
Abschließend gab Braus den Zuhörern noch einen guten Ratschlag mit nach Hause:
„Pubertierende sind Diamanten, man muss sie entdecken und mit Fassung tragen. Bleiben Sie einfach cool!“
Der Vortrag bzw. das Skript von Prof. Dr. Braus kann leider nicht als Gesamtes veröffentlicht werden. Allerdings gibt es unter folgendem Link den Mitschnitt eines Vortrags vom 10. November 2016 zu sehen, in dem große Teile der aktuellen Veranstaltung ebenfalls enthalten sind:
Vortrag Prof. Dr. Braus: Ein Blick in das jugendliche Gehirn
Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium
Naturwissenschaftlich-technologisches und
Sprachliches Gymnasium
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