09.01.2018
Reinhard Pfaffel referierte über die Geldpolitik der EZB
Reinhard Pfaffel, Leiter der Bundesbankfiliale in Regensburg, hielt am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium einen Vortrag zum Thema „Geldpolitik in bewegten Zeiten: Chancen und Risiken“. Dabei hat er in bekannter Art die Schüler der beiden q12-Wirtschaft/Recht-Kurse geschickt bei ihrem Schulwissen aufgegriffen und dieses mit neuen und aktuellen Aspekten sehr anschaulich ergänzt.
Noch bis vor knapp drei Jahrzehnten durchzog der eiserne Vorhang ganz Europa und man konnte sich nur schwer vorstellen, dass es Jahre später eine gemeinsame Währung geben sollte. Heute erstreckt sich das Euro-Währungsgebiet über 19 Länder, von Portugal im Westen bis Zypern im Osten von Europa. Eine gemeinsame Währung beinhaltet auch eine gemeinsame Geldpolitik mit einer gemeinsamen Zielsetzung der EZB, nämlich: „Preisstabilität im Euroraum“. Zunächst aber ist für viele Schüler verwirrend, dass der EZB-Rat Preisstabilität definiert als einen „Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter, aber nahe 2% gegenüber dem Vorjahr in der mittleren Frist“. Warum also will man keine absolute Preisstabilität von 0%? Herr Pfaffel stellt dafür zwei Hauptgründe vor. Zum einen wird der HVPI durch einen repräsentativen Warenkorb ermittelt, der die tatsächliche Inflation tendenziell überzeichnet. Außerdem sollte ein ausreichender Sicherheitsabstand zur Deflation, also zu einem sinkenden Preisniveau, gewährleistet werden. Da die Zahl eine Durchschnittsgröße aller Länder im Euro-Raum ist, liegen folglich manche Länder darüber, andere darunter. Die Deflation wird vonseiten der EZB mit einem Schreckgespenst bildhaft gemacht. Sinkende Preise bei zunächst stabilen Kosten führen zu einer Abwärtsspirale. Rezession und ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen sind eine Folge. Doch der Vertreter der Bundesbank macht deutlich, dass die vielen negativen Werte des HVPI seit Ende 2014 im Euro-Raum auch aus einer positiven Sichtweise betrachtet werden können. Der HVPI ist in dieser Zeit vor allem wegen den niedrigen Öl-, Gas- und Rohstoffpreisen gesunken. Sinkende Kosten bei stabilen Preisen führen zu einem Anstieg der Gewinne und Löhne.
Somit erlebt Europa momentan ein sehr großes Konjunkturprogramm, was sich auf die wirtschaftliche Entwicklung vieler Länder positiv auswirkt. Wenn man außerdem die Kerninflation betrachtet, also der HVPI ohne Beachtung der sinkenden Ölpreise, sind die Werte mit knapp über 1% Anstieg schon näher an der Wunschgröße.
Außerdem wurden die geldpolitischen Handlungsmöglichkeiten der EZB, also der „Handwerkskoffer der EZB“ erläutert. Das wichtigste Werkzeug ist die Zinspolitik, also die Änderung der Leitzinsen, wobei der Zinssatz der Einlagefazilität mit einem negativen Wert von -0,4% hervorsticht. D.h. wenn Geschäftsbanken bei der Zentralbank Kapital anlegen möchten, müssen sie einen Negativzins zahlen. Das meistdiskutierte Kriterium momentan ist die „Quantitative Lockerung“. Dabei kauft die EZB bis September 2018 weiterhin Staatsanleihen und in geringen Mengen zum Beispiel auch Unternehmensanleihen auf. Letztendlich addieren sich dann die Käufe auf ein Volumen von rund 2,6 Billionen Euro. Damit betreibt die EZB eine sehr expansive Geldpolitik. Mit all diesen Maßnahmen möchte die EZB versuchen, das Ziel der Preisniveaustabilität wieder auf knapp unter 2% anzuheben.
Doch dieses Niedrigzinsumfeld bringt auch viele Nebenwirkungen mit sich. SO könnte sich bei den Staaten eine „Tragfähigkeitsillusion“ einspielen und den Druck zu Reformen vermindern. Eigentlich sollten Staaten in dieser wirtschaftlich guten Lage mit sinkenden Zinsen, steigenden Steuereinnahmen und einer sehr niedrigen Arbeitslosenquote eine antizyklische Finanzpolitik betreiben und weiterhin Schulden zurückzahlen.
Letztendlich sieht die Bundesbank zwei alternative Wege für den Euroraum, der aus 19 sehr heterogenen Ländern mit eigenen Ansprüchen und Denkweisen besteht. Entweder werden im Rahmen einer „Fiskalunion“ alle fiskalpolitischen Kompetenzen auf die europäische Ebene gebracht, um gemeinschaftlich zu entscheiden aber auch gemeinschaftlich zu haften. Oder man kehrt im Rahmen von „Maastricht 2.0“ zu geltende Ordnungsrahmen zurück und setzt auf nationale Entscheidungen mit nationaler Haftung.
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